Was haben Darm und Haut gemeinsam? Vieles. Ein Blick durch das Mikroskop auf beide Gewebe offenbart eine atemberaubende Flora, die sich anderenfalls unseren Augen verwehrte: Mit etwa einer Billion Mikroorganismen pro Gramm Darmwand zählt der Dickdarm zu einem der am dichtesten besiedelten Orte weltweit. Und auch unsere Hautoberfläche ist belebt: Auf rund zwei Quadratmetern finden sich in etwa gleich viele Mikroben wie Menschen auf der Erde – atemberaubende und faszinierende Fakten zugleich. Dass beide Organe mit ihren gewichtigen Mikrofloren eng miteinander vernetzt sind, ist bei näherer Betrachtung nicht verwunderlich. Wie? Unsere Reise ins Tal der Verstrickungen verräts.
Die Haut als Spiegel des Darms – eine Floskel mit wissenschaftlichem Rückgrat.
Haut und Darm haben sich im Gefühl. Was romantisch klingt, lässt sich durch trockene Wissenschaft belegen. So zählen Haut und Darm nicht nur zu jenen menschlichen Organen mit den größten Oberflächen und dichtesten Keimbesiedelungen, die beiden gehen auch aus derselben embryonalen Schicht hervor. Dicht von Nerven und Gefäßen durchzogen sind beide Organe auch über das Immunsystem miteinander verbunden. Kein Wunder also, dass beide Strukturen einen Draht zueinander haben und Studien den Einfluss des Darms auf die Haut an den Tag legen.
Obwohl noch nicht sämtliche Mechanismen geklärt sind, scheint insbesondere das Immunsystem Haut und Darm zur Darm-Haut-Achse zu verbinden. Als Strippenzieher gilt hierbei die ein bis zwei Kilogramm schwere Darmflora, die mit den Immunzellen ständig wechselwirkt und die Bildung von Abwehrstoffen anregt. Ein Immuntraining, das nicht nur dem Darm, sondern auch der Haut zugutekommt.
Mit unserer Darmflora haben wir eine leistungsstarke Chemiefabrik im Bauch, die unterschiedlichste Substanzen erzeugt – darunter hautrelevante Vitalstoffe wie Hyaluronsäure oder das Hautvitamin Biotin sowie Stoffe, die an der Verdauung und Verwertung der Nahrung mitwirken. Der „Substanzen-Cocktail“ im Darm ist es schlussendlich, der das Nervensystem manipulieren und auf diesem Wege u. a. die Hautdurchblutung beeinflussen kann.
Problemfeld Haut: Worauf sie sensibel reagiert.
Unsere Haut spricht eine Sprache. Sie erzählt uns von Gewohnheiten, Emotionen, körperlichem und seelischem Gleichgewicht. Treten beispielsweise Rötungen, Irritationen, ein Spannungsgefühl und Unreinheiten auf, fühlen wir uns in unserer eigenen Haut schnell nicht mehr wohl. Doch was missfällt dem sensiblen Organ?
Abgesehen davon, dass die Hautalterung zum natürlichen Lauf der Dinge gehört und genetisch vorbestimmt ist, können äußere Faktoren, wie eine übermäßige Sonnenexposition, bestimmte Medikamente und eine falsche Hautpflege, unserer Haut zusätzlich zu schaffen machen. Auch ein ungesunder Lebensstil zieht nicht spurlos an unserer Haut vorüber – Alkohol, Nikotin, Schlafmangel, Stress, zu wenig Wasser und nicht zuletzt eine nährstoffarme, ungesunde Ernährung können sich negativ auf unser Hautbild auswirken.
Darm-Haut-Achse: Wenn der Darm strauchelt und die Haut mitleidet.
Gemäß dem Motto „Geht's dem Darm nicht gut, leidet die Haut“ kann die sensible Körpermitte die Haut in Mitleidenschaft ziehen. Untermauert wird dieser Zusammenhang von Studien, die aufzeigen, dass Menschen mit Problemhaut oft eine veränderte Darmflora (z. B. zu wenige Laktobazillen und Bifidobakterien) und Darmbarriere aufweisen – Probleme, die sich unter Belastung zusätzlich verstärken können. (Mehr über die Darm-Hirn-Achse)
Neben Stress gefährden Medikamente, wie Antibiotika oder Abführmittel, und eine vitalstoffarme, ungesunde Ernährung (siehe Kasten) die Artenvielfalt der Darmflora. So zeigen Studien, dass Naturvölker noch einen großen mikrobiellen Artenreichtum im Darm aufweisen, Menschen aus den Industriestaaten hingegen durch ihren Ernährungs- und Lebensstil bereits 40 % dieser Vielfalt eingebüßt haben. Dieser Verlust wirkt sich auch auf den mikrobiell erzeugten Substanzen-Cocktail, die Nahrungsverwertung und Entgiftungsleistung der Darmflora aus. Letztlich bekommt das die Haut über die oben beschriebenen Vernetzungen zu spüren.
Von Hautschmeichlern und Keimbalsam: Nutritivpflege für Haut und Darm.
Welche Darmbakterien unterstützen die Haut?
Wer mit Problemhaut zu kämpfen hat, der sollte nicht nur seine Haut, sondern auch seine Körpermitte umsorgen. Um die nützlichen Darmkeime – allen voran Lactobazillen und Bifidobakterien – zu begünstigen, müssen diese mit dem richtigen Futter versorgt werden.
Ballaststoffe & Bitterstoffe und ihre Funktion für Haut und Darm
Zum Fressen gerne haben diese Bakterien lösliche Ballaststoffe, die in erster Linie in pflanzlichen Lebensmitteln (Obst, Gemüse, Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten) vorkommen: Schwarzwurzeln, Pastinaken und Topinambur stehen ganz oben auf ihrer Hitliste. Als darmfreundlich gelten auch bestimmte bitterstoffreiche Pflanzen, wie Mariendistel oder Artischocke. Diese können Leber und Galle anregen und unterstützen so den Darm bei seiner Verdauungstätigkeit. Und eine glückliche Körpermitte „schmeckt“ letztendlich auch unserer Haut.
Welche Vitamine können die Haut und den Darm unterstützen?
Durch ihren besonders aktiven Stoffwechsel sind sowohl die Hautzellen als auch die Schleimhautzellen des Darms auf eine gute Nährstoffversorgung angewiesen. Um die Vitalkraft beider Barriere-Organe möglichst lange zu wahren, sollte deshalb auf die ausreichende Aufnahme der richtigen Vitamine geachtet werden: Als bewährte Nährstoffe zur Unterstützung der Schleimhaut gelten die Vitamine A, B2, Niacin und Biotin. Zu den inneren Hautschmeichlern zählen die Vitamine C, E und Biotin. Während Biotin zum Erhalt gesunder Haut beiträgt, unterstützt Vitamin C die Bildung von Kollagen – einem wesentlichen Bestandteil des Bindegewebes – für eine normale Funktion der Haut. Vitamin C trägt zudem gemeinsam mit Vitamin E zum Schutz der Zellen vor oxidativem Stress bei, den u. a. UV-Strahlen verursachen, und regeneriert verbrauchtes Vitamin E.
Das schmeckt dem Darm und seinen Bakterien gar nicht.
- wenige Ballaststoffe
- viel Zucker
- viele ungesunde Fette
- ein hoher Eiweißanteil
- Alkohol
- Lebensmittel-Zusatzstoffe (in stark verarbeiteten Lebensmitteln wie Fertigprodukten, Fertigsaucen etc.)
- bestimmte Medikamente (Antibiotika, Abführmittel, Antibabypille, Hormonpräparate etc.)
Das liebt der Darm und seine Bakterien:
- lösliche Ballaststoffe aus Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und Vollkornprodukten
- bitterstoffreiche Pflanzen, wie Mariendistel oder Artischocke
- fermentierte Lebensmittel, wie Sauerkraut
- Schleimhautnährstoffe: Vitamin A, B2, Niacin, Biotin
- ausreichend Flüssigkeit, wie Wasser und ungesüßte Kräutertees
- schonende Zubereitungsarten (Dämpfen oder schonendes Garen statt heißem Braten und Frittieren)
- gutes Kauen
- Ruhe und Zeit zum Essen
Was der Haut noch gut tut:
GEWUSST
Wussten Sie, dass unser Darm ein Bewegungstier ist? Während Bewegungsmuffel häufiger an Verstopfung leiden, hält regelmäßiger Ausdauersport (ideal: 30 Minuten pro Tag) nicht nur den Kreislauf, sondern auch die Verdauung in Schwung. Der Darm wird besser durchblutet, die Nahrung rascher weitertransportiert.
Glückliche Darmflora, glückliche Haut
Schöne Haut ist auch Darmsache und so kristallisiert sich in Studien immer mehr heraus, dass eine ausgeglichene Darmflora für ein gesundes Hautbild wesentlich ist. Zu diesem Schluss kommt auch Prof. Dr. med. Michael Sticherling von der Hautklinik in Erlangen, der 2020 im Fachmagazin Kompass Autoimmun über den faszinierenden Zusammenhang zwischen Darmflora und Haut berichtete.
Ungesundes Essen, Süßes, Alkohol – bei Menschen mit sensibler Haut bleibt ein kurzzeitiges Über-die-Stränge-Schlagen hauttechnisch meist nicht ungesühnt. Und so ist gut nachvollziehbar, dass Forscher seit Langem auf der Suche nach dem genauen Zusammenhang zwischen dem Zustand des Darms und dem Erscheinungsbild der Haut sind.
Beauty-Organ Darm
Im menschlichen Darm leben Billionen Keime. Diese imposante Mikroben-Gesellschaft hat nicht nur im Darm ein gewichtiges Wörtchen mitzureden. Als Verdauungshelfer, Immuntrainer, Bodyguard und Erzeuger verschiedenster Substanzen (u. a. bestimmter Vitamine, Antioxidantien, Hyaluronsäure) reicht der lange Arm der Darmflora über die Körpermitte hinaus und beeinflusst nicht zuletzt den Hautzustand. Und so unterstreichen immer mehr Forschungsergebnisse die Bedeutung einer gesunden Darmflora für die Haut. Ein mikrobielles Ungleichgewicht kann sich – auch wenn dieses sonst symptomlos verläuft – durch das Hautbild kenntlich machen, indem es den von ihr erzeugten „Substanzen-Cocktail“ ändert: Das Ungleichgewicht führt beispielsweise zu mehr freien Phenolen und Paracresol, die der Darmbarriere zu schaffen machen, und kann die Bildung hautrelevanter Stoffe (Hyaluronsäure, Vitamine, Antioxidantien) und die Verwertung wertvoller Antioxidantien aus der Nahrung verändern.
Fazit:
Eine ausgeglichene Darmflora ist nicht nur für den Darm selbst, sondern auch für andere Organe wie die Haut von Bedeutung. Wer seine Darmbakterien für Beauty-Zwecke nutzen möchte, der kommt um eine gute Pflege der darmeigenen Keime nicht herum.
Literatur beim Verfasser.