„Mein Herz tanzt und jedes Molekül bewegt sich.“ Wie von der deutschen Band Mia besungen, steckt hinter dem berühmten „Schmetterlinge im Bauch“ unverblümt gesehen nichts anderes als jede Menge Biochemie.

Was ist Liebe? Das schönste Gefühl auf Erden, die Gewissheit, die Herzensdame oder den Traummann gefunden zu haben, oder doch einfach nur ein Zusammenspiel verschiedener Hormone? Schenkt man der Evolutionspsychologie Glauben, dann dient Liebe zu nichts anderem als dem Sichern des menschlichen Überlebens. Notorischen Romantikern mag diese Erklärung zwar zu kurz kommen, doch sieht man genauer hin, so zeigt sich, dass tatsächlich vieles in Sachen Liebe durch Hormone gesteuert wird.

Im Liebeskarussell der Hormone

Anna und Dominik schweben auf Wolke sieben. Sie haben sich vor sechs Wochen kennengelernt und können kaum eine Minute ohne einander verbringen. Sie fühlen sich völlig unbeschwert, zeigen ein Dauerlächeln auf dem Gesicht und haben Schmetterlinge im Bauch. „Es war Schicksal“, beschreibt Anna die erste Begegnung mit ihrem Freund. Doch war es das wirklich? Betrachten wir das Phänomen Liebe ganz pragmatisch, verbirgt sich hinter ihren Mechanismen nichts anderes als Biochemie, induziert durch die Sexualhormone Testosteron beim Mann bzw. Östrogen und Progesteron bei der Frau.

Frühlingsgefühle verstehen

Ob man sich verliebt oder nicht, scheint aber auch saisonalen Schwankungen zu unterliegen. Im Frühling sind besonders viele Menschen liebeshungrig. Verliebte Pärchen sind fast überall anzutreffen. Das hat auch einen Grund: Wenn die Natur wiedererwacht, fällt der Melatoninspiegel im Körper. Ist weniger dieses Schlafhormons vorhanden, fühlen wir uns aktiver – auch in Liebesdingen. Gleichzeitig steigt das Glückshormon Serotonin an. Wenn Amors Pfeile dann tatsächlich mitten ins Herz getroffen haben, lässt sich allerdings nicht genau sagen, wie lange die Phase der Verliebtheit anhält – das ist individuell verschieden.

Tief einatmen! Stimmt die Chemie?

Doch warum ist es gerade die Person, für die unser Herz schlägt? Verliebtheit geht über die Nase direkt ins Gehirn. In wen wir uns verlieben, hängt mit Geruchsbotenstoffen, sogenannten Pheromonen, zusammen. Sie helfen festzustellen, ob das immunologische System des Gegenübers unterschiedlich ist. Denn je unterschiedlicher es ist, umso größer ist die Anziehung, was zukünftigen Kindern zugutekommt. Bei unterschiedlichen immunologischen Konstitutionen hat der Nachwuchs gute Überlebenschancen, weil ihm eine vielfältigere Erbsubstanz zur Verfügung steht. Bei den Pheromonen handelt es sich also um genetisch bedingte körpereigene Duftstoffe, die auf den einen abstoßend, auf den anderen anziehend wirken. Nicht umsonst kann man jemanden riechen – oder nicht. Ergo: Liebe geht weniger durch den Magen als vielmehr durch die Nase.

Die Biochemie der Verliebtheit

Auch wenn die Liebe eine Herzensangelegenheit bleibt, so spielt sich bei Liebe, Lust und Verliebtheit ganz viel auf Kopfebene ab. Verlieben wir uns, entflammt im Gehirn ein biochemisches Feuerwerk, das uns in einen Ausnahmezustand führt, den man zu Recht als „Liebesrausch“ beschreiben könnte. Maßgeblich daran beteiligt ist der „Glücksbotenstoff“ Dopamin, der vom Hypothalamus ausgeschüttet wird und im Belohnungszentrum Euphorie auslöst. Auch weitere lustfördernde und anregende Stoffe werden verstärkt freigesetzt, wie Noradrenalin und Phenylethylamin. Sie versetzen den Körper in einen Erregungszustand, schärfen den Fokus: Das Herz klopft merklich, Blutdruck und Körpertemperatur steigen und wir konzentrieren uns ganz auf die eine Person.

Süchtig nach dir …

Dass sich dieses „biochemische Liebesspiel“ sogar in bestimmten Gehirnarealen abzeichnet, konnten Wissenschaftler mittels Magnetresonanz-Tomografie nachweisen. Während Verliebte Fotos ihrer Partner ansahen, zeigten zwar jene Hirnareale, in denen rationales Denken stattfindet, keine Aktivität, ihr Belohnungszentrum war jedoch aktiviert. Nicht verwunderlich also, dass Verliebtheit und Sucht im Gehirn nahe beieinanderliegen.

Während der Körper in der Phase der Verliebtheit von Dopamin überschwemmt wird, nimmt ein anderer Botenstoff ab: Serotonin. Der Spiegel ähnelt dann jenem von Menschen mit Zwangsstörungen. Neben den Pheromonen lässt sich damit erklären, warum Verliebte nur noch Augen für den Menschen ihrer biochemischen Begierde haben und die Welt rundherum in Vergessenheit gerät. Schmetterlinge im Bauch haben ist also ohne Zweifel ein einzigartiges Gefühl – und macht süchtig.

Liebe dient der Fortpflanzung

Mit der Zeit zügeln Biochemie und Verstand die Gefühle und holen uns vom siebten Himmel wieder zurück auf den Boden der Tatsachen – zu unserem Leidwesen genauso wie zu unserem Wohl. Denn von Luft und Liebe lebt es sich auf Dauer schlecht. Zudem könnte unser Körper den kräfteraubenden Ausnahmezustand auf Dauer gar nicht aufrechterhalten. Warum sich die Natur diesen Kraftakt hat einfallen lassen, lässt sich ganz einfach erklären: Der Sexual- und Vermehrungstrieb ist ein Erbe unserer tierischen Abstammung und dient schlicht und einfach der Fortpflanzung und dem Erhalt unserer Art.

Auf die Verliebtheit folgt dann im besten Fall Liebe – und auch hier haben die Hormone das Sagen, allen voran Oxytocin. Es wird unter anderem beim Stillen produziert und sorgt für die Bindung von Mutter und Kind. Das Kuschel- und Bindungshormon Oxytocin stärkt aber auch die Paarbindung und das Vertrauen in andere – ein wichtiger Schritt, damit die beide Elternteile zur Sicherheit des Kindes zusammenbleiben.

Herzschmerz

So schön die Liebe auch ist, so schmerzhaft kann Liebeskummer sein: Julia versteht die Welt nicht mehr. Noch vor wenigen Wochen schmiedete sie Pläne für eine gemeinsame Zukunft mit ihrem Partner und nun ist alles aus. Sie steht vor den Trümmern ihrer Beziehung und fühlt sich elend. Ihr Liebeskummer macht sich nicht nur durch Trauer, Wut und Verzweiflung bemerkbar, sie kann auch kaum mehr schlafen, hat keinen Appetit und leidet unter Kopfschmerzen. Kein Wunder, schließlich steht ihr Körper unter Stress. Der Liebeskummer – Entzug und Abfall der beiden Belohnungsstoffe Oxytocin und Dopamin im Gehirn – gleicht einem Drogenentzug; Enttäuschung macht sich breit.

Rätselhafte Liebe

Romantiker müssen angesichts der nüchternen Tatsachen dennoch nicht verzweifeln. Auch wenn die Wissenschaft der „Liebesformel“ schon nähergekommen ist, so ist das Rätsel noch lange nicht gelüftet. Schließlich könnte man den Traumpartner allein durch die gezielte Einnahme der für die Verliebtheit nötigen Hormone noch nicht für sich gewinnen. Verliebtheit und Liebe sind schließlich komplexe Vorgänge. Romantiker können daher getrost auf Wolke 7 schweben und die Liebe so annehmen, wie sie ist: ein wunderbares Gefühl.

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