Leben

Intervallfasten - Gewinn durch Verzicht

von Mag. Margit Weichselbraun
am 06.06.2022

Weniger ist oft mehr, auch wenn's ums Essen geht. Denn ganz gleich, welche Motive dahinterstecken, die freiwillige Nahrungsreduktion hat erstaunliche Auswirkungen auf unseren Körper. Der systematische Verzicht lässt unter Umständen Pfunde purzeln und löst eine Reihe erwünschter Wirkungen aus. Der wichtigste Trend auf dem Ernährungssektor ist wohl das sogenannte Intervallfasten. Wie es funktioniert und was die Methode sonst noch so draufhat, zeigen wir bei einem Blick hinter die Kulissen.

Intervallfasten: Essen nach der Uhr

Intervallfasten. So heißt der neue Abnehmtrend, der von der Uhr bestimmt wird. Anders als beim traditionellen Fasten, bei dem mehrere Tage bis Wochen durchgehend gefastet wird, verzichtet man bei der beliebtesten Variante, dem 16:8-Intervallfasten, nur 16 Stunden täglich auf Essen und kalorische Getränke. Die restlichen acht Stunden darf in Form von zwei Mahlzeiten „normal“ gegessen werden. Und das macht diese Fastenmethode wohl schlussendlich so beliebt, denn ohne ständig zu hungern oder Kalorien zählen zu müssen, können die meisten von uns das 16:8-Intervallfasten gut in den Alltag integrieren.

Intervallfasten-Methoden: Alles eine Frage des Timings.

16:8

Zwischen der letzten Mahlzeit des Vortages und der ersten Mahlzeit des neuen Tages liegen 16 Stunden. Während der acht „Essensstunden“ darf man zwei Mahlzeiten zu sich nehmen. Meist reicht es aus, das Frühstück oder Abendessen (Dinner Cancelling) auszulassen.

5:2

An zwei Tagen der Woche wird gefastet. An diesen zwei Fastentagen darf man maximal 500 Kalorien zu sich nehmen.

1:1

Fasten- und Essenstage wechseln einander ab. An Fastentagen soll man keine Kalorien in Form von Essen oder Getränken zuführen.

Intervallfasten: Heilsame Auszeit

Der selbstauferlegte Verzicht setzt im Körperinnern bestimmte Hebel in Bewegung. So hält die heilsame Auszeit den Level unseres Fettspeicher-Hormons Insulin niedrig – ideale Voraussetzung für den ungestörten Fettabbau. Zudem sorgt die Essenspause dafür, dass spezielle Reinigungsmechanismen sowie die Abfallentsorgung der Zellen vermehrt in Gang gesetzt werden (Autophagie) – ein Zell-Putz, der regenerierend wirkt. Studien mit Würmern, Fliegen, Mäusen und Affen zeigten außerdem, dass das Fasten das Leben der Tiere verlängert, indem die innere Uhr mit ihren Stoffwechselprozessen neuprogrammiert wird. Ob dieser Effekt auch auf den Menschen übertragbar ist, muss jedoch erst in Humanstudien abgeklärt werden.

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Autophagie: Frühjahrsputz auf Zellebene

Fasten kann nicht nur Kilos schmelzen lassen, es vitalisiert auch unsere Zellen. Der dahinterstehende Mechanismus wird Autophagie genannt. Doch was ist das eigentlich? Stellen Sie sich vor, Sie hätten ein baufälliges Haus. Das Dach ist leck, der Zaun morsch, der Hausputz bröckelt. Autophagie wäre in dem Fall die Baufirma, die Ihnen hilft, die baufälligen Teile des Hauses abzutragen, und diese repariert und wiederverwertet, um das Haus wieder in Stand zu setzen. Auf körperlicher Ebene funktioniert Autophagie wie eine zelluläre Müllabfuhr. Dieses Selbstreinigungsprogramm greift der Zelle bei der Entsorgung von schadhaften oder falsch gefalteten Eiweißen bis hin zu ganzen Organellen unter die Arme und recycelt diese. Das ist für die Vitalität der Zellen insofern wichtig, als beschädigtes Zellmaterial auf unserer Zellgesundheit lastet und diese im schlimmsten Fall kosten kann.

Mehr erfahren: Autophagie

Intervallfasten – unser Bakterienzoo „hungert“ mit.

Studien zufolge scheint Intervallfasten noch einen weiteren Nutzen zu haben: So bringt das „Essen auf Zeit“ unsere Darmflora ins Gleichgewicht. Durch die selbstauferlegte Essenspause fasten nämlich nicht nur wir, sondern auch die mikrobiellen Darmbewohner mit, wodurch sich die Bakterienzusammensetzung und -vielfalt der Darmflora verändern kann. Ungünstige Bakterien werden von guten Bakterien verdrängt. Das Spannende an diesen mikrobiellen Veränderungen ist, dass uns die neu zusammengesetzte Darmflora in puncto Abnehmen sogar unterstützen kann.

Intervallfasten: Ein Fall fürs Jo-Jo?

Um die Frage zu klären, werfen wir einen Blick in die Vergangenheit: Schon seit Anbeginn der Menschheit war unser Stoffwechsel an wiederkehrende Fastenperioden gewöhnt. Herrschte Überfluss, wurde bis zum Umfallen gevöllert. In Zeiten der Knappheit hingegen blieb der Magen teils tagelang leer. Wie auch immer, unser Körper war gewappnet. Durch das Anlegen von Energiereserven und dem Herabsenken des Energieverbrauchs konnten wir auch längere Hungerperioden überstehen. Zudem verfügt unser Organismus nach einigen Hungertagen noch über die Möglichkeit, Muskeleiweiß zur Energiegewinnung heranzuziehen.

Um zum eigentlichen Thema zurückzukehren: Egal ob Essensknappheit oder Diät, unser Körper reagiert wie früher: Wird die Kalorienzufuhr gedrosselt, stellt der Organismus nach einiger Zeit seinen Stoffwechsel auf Sparflamme. Auch Muskelmasse kann so verloren gehen. Wenn wir dann wieder normal zu essen beginnen, obwohl unser Stoffwechsel noch Energie spart, nehmen wir rasch wieder zu. Und zwar oft mehr Gewicht, als wir verloren haben. Passiert das öfter als einmal, lässt der Jo-Jo-Effekt grüßen.

Und wie ist das nun beim Intervallfasten? Diese Methode scheint bei richtiger Anwendung vom Jo-Jo-Effekt ausgenommen zu sein. Der entscheidende Unterschied zwischen Intervallfasten und längeren kalorienreduzierten Diäten ist, dass der Stoffwechsel durch das Kurzzeitfasten nicht herabgeschraubt wird und keine Muskelmasse verloren geht.

Wie lange dauert es, dass man mit Intervallfasten abnimmt?  

Wie geduldig man interfallfasten muss, um abzunehmen bzw. mit welchem Gewichtsverlust man bei dieser Methode rechnen darf, kann leider nicht pauschal gesagt werden. Schließlich ist jeder Mensch anders. Was man jedoch auf jedem Fall sagen kann, ist, dass stark übergewichtige Menschen, die keine Crash-Diät-Erfahrungen (Stichwort: Jo-Jo-Effekt) haben, rascher abnehmen als jene die nur leicht übergewichtig sind.  

Darüber hinaus spielt natürlich auch die Kalorienzufuhr während des „Essfensters“ eine Rolle. Menschen, die sich während den Essensphasen natürlich, gesund und ausgewogen ernähren, werden bessere Erfolge feiern als solche, die währenddessen zu Fast Food, Süßem und Knabbereien greifen. 

Intervallfasten: 5 Tipps für Neulinge 

1. Ans Fasten herantasten: 

Wer Probleme hat auf Anhieb 16 Stunden lang zu fasten, der kann sich auch nach und nach an die 16 Stunden herantasten.  

2. Es sportlich langsam angehen lassen: 

Sport unterstützt das Abnehmen und wirkt dem Muskelabbau entgegen – doch gerade Fasten-Neuling sollten es sportlich sachte angehen lassen, damit der Körper Zeit hat sich mit der gedrosselten Energiezufuhr zu arrangieren. 

3. In Essensphasen nicht hungern: 

Während der Essensfenster sollte „normal“ gegessen und nicht gehungert werden. Hungern nagt nicht nur am Durchhaltevermögen, es schürt auch die Unzufriedenheit und das Risiko eines Jojo-Effekts. 

4. Vorsicht Schlemmerfalle: 

Intervallfasten sollte kein Freibrief für hemmungsloses Schlemmen sein. Besonders Menschen, die mit dieser Methode an ihrem Körpergewicht arbeiten möchten, sollten die eingesparten Kalorien nicht mit Schlemmereien wieder reinholen. 

5. Verbündete suchen: 

Wie bei so vielen im Leben gilt: Gemeinsam ist besser als einsam. Egal ob der/die PartnerIn, KollegIn oder FreundIn – der gemeinsame Austausch über Magenknurren und Co macht das Intervallfasten leichter. 

Welche Methode ist für Anfänger am besten geeignet? 

Ein guter Einstieg ins Intervallfasten ist die 16/8-Methode. Bei dieser Methode wird 16 Stunden lang gefastet und acht Stunden normal gegessen, wobei die Schlafenszeit in den 16 Stunden inkludiert ist. In der Praxis bedeutet das einfach das Frühstück oder Abendessen zu canceln. 

Wie lange soll man Intervallfasten? 

Schon seit Urzeiten ist unser Organismus an Fastenperioden gewöhnt. Das macht Intervallfasten zu einer sehr natürlichen Methode, die so lange praktiziert werden kann, solange sie ins jeweilige Leben passt. 

Gibt es weitere Regeln, die man beachten sollte?  

Wer Intervall fastet, der sollte während den Essensfenstern darauf achten, nicht mehr oder ungesünder zu essen als sonst. Während des Fastens ist Trinken stets erlaubt. Hierbei sollte jedoch zu kalorienfreien Getränken wie Wasser, Mineralwasser, ungesüßtem Tee oder schwarzem, ungezuckerten Kaffee (in Maßen) gegriffen werden. 

Ist Intervallfasten für jeden geeignet? 

Obwohl Intervallfasten in der Regel den meisten Menschen guttut, sollte man sich dennoch in bestimmten Fällen nicht blindlings ins Fasten stürzen. Menschen mit Stoffwechselerkrankungen, chronischen Erkrankungen, Krebserkrankungen, Migräne und Hypotonie (= niedriger Blutdruck) sollten unbedingt vorab ihren Arzt oder ihre Ärztin zu Rate ziehen. Bei Essstörungen, Untergewicht sowie in den besonderen Phasen der Schwangerschaft und Stillzeit sollte auf Intervallfasten verzichtet werden. 

Warum sollte man in der Schwangerschaft nicht Intervallfasten?

Die Entstehung neuen Lebens stellt für den weiblichen Körper einen Kraftakt dar, der ihm ein Mehr an Mikronährstoffen und Energie abverlangt. Um eine reibungslose Entwicklung des Mutter-Kind-Gespanns zu gewährleisten, sollte man deshalb während der Schwangerschaft auf eine regelmäßige und ausgewogene Ernährung achten und auf Diäten und Fasten (eben auch Intervallfasten) jeglicher Art verzichten. 

Gibt es beim Intervallfasten einen Unterschied für Frauen und Männer? 

Frauen im gebärfähigen Alter sollten tatsächlich anders Intervallfasten als Männer. Länger andauernde Nahrungskarenzen können nämlich den weiblichen Hormonhaushalt aus der Bahn werfen und dadurch sowohl den Menstruationszyklus als auch die Fruchtbarkeit stören. Deshalb sollten Frauen im gebärfähigen Alter ihre Fastenphasen auf maximal 12 bis 13 Stunden beschränken und während ihrer monatlichen Periode generell aufs Fasten verzichten. 

Pssst. Und zu guter Letzt noch ein Praxis-Tipp…

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