Wurde der Darm lange Zeit als reine Verdauungsröhre abgetan, hat die medizinische Forschung das acht Meter lange Organ mittlerweile für sich entdeckt. Von der Körpermitte ausgehend beeinflusst das „Darmgehirn“ sowohl unsere Gefühlswelt als auch unser Denken. Das Verhältnis zwischen dem Stoffwechsel des Mikrobioms (Darmflora) und der Psyche ist mit Sicherheit eines der faszinierendsten Themen der Mikrobiomforschung. In den letzten Jahren mehren sich die Hinweise, dass mentale Erkrankungen mit einer veränderten Darmflora einhergehen – dies bestätigte nun auch eine Studie an depressiven Menschen, die 2019 im Nature Microbiology Journal publiziert wurde.
Februar 2019 - Die Beziehung zwischen dem Stoffwechsel unserer körpereigenen Darmflora und der mentalen Gesundheit ist eines der spannendsten und zugleich am stärksten kontrovers diskutierten Themen der Mikrobiomforschung. Obwohl nach heutigem Stand nur ein Bruchteil der Darm-Mikroorganismen erforscht ist, weiß man dennoch über das enge Zusammenspiel zwischen Mikrobiom, Darm und Gehirn Bescheid. Die Darm-Bakterien beeinflussen nicht nur unsere Gefühls- und Gedankenwelt zu einem gewissen Maß, sondern vermutlich auch bestimmte Krankheiten (von Depressionen bis hin zu Autismus), die sich in einer veränderten Zusammensetzung des Mikrobioms widerspiegeln. Dabei ist jedoch noch nicht klar, wer zuerst da war: Die Henne oder das Ei. Sprich: Ob sich zuerst die Darmflora verändert und dies die Erkrankung auslöst oder ob die Erkrankung die Darmflora erst verändert. Während die Beziehung zwischen Darmflora, Darm und Gehirn bereits in etlichen Tiermodellen erforscht wurde, stehen spezielle Humanstudien zu dem Thema noch aus.
Studie: Veränderte Darmflora bei Depressionen
In der aktuellen Studie verglich ein 15-köpfiges Forschungsteam das Mikrobiom von 1054 Patienten mit diagnostizierter Depression mit dem Mikrobiom von 1070 gesunden Menschen. Es zeigte sich, dass die Butyrat-produzierenden Keime Faecalibacterium und Coprococcus mit einer höheren Lebensqualität assoziiert waren. Die Keimzahl von Coprococcus sowie jene der Bakterien-Gattung Dialister war in der Stichprobe der depressiven Patienten dezimiert und das sogar, nachdem die Depression mithilfe von Antidepressiva korrigiert worden war.
Eine Stoffwechselanalyse der vorliegenden Mikroorganismen-Gemische zeigte zudem einen positiven Zusammenhang von dem bakteriellen Stoffwechselprodukt 3,4-Dihydroxyphenylessigsäure (ein Zwischenprodukt des körpereigenen Glückshormons Dopamin) und der mentalen Lebensqualität und wies auf eine mögliche Rolle der mikrobiellen Produktion von γ-Aminobuttersäure (ein wichtiger körpereigener Botenstoff) bei Depressionen hin.
Fazit: Schon seit Längerem wird eine Beziehung zwischen einer gestörten Darmflora und Depressionen vermutet. Die aktuellen Studienergebnisse bestätigen einmal mehr, dass sich die Darmflora und deren Stoffwechselprodukte von Patienten mit Depressionen deutlich von jenen von Gesunden unterscheidet.
Referenz: Valles-Colomer, M. et al. 2019. The neuroactive potential of the human gut microbiota in quality of life and depression. Nat Microbiol. 4(4):623–32.