Leben

Allergien und Darm - Welche Rolle spielt die Darmgesundheit?

von Mag. Margit Weichselbraun
am 31.05.2023

Wer mit Allergien zu kämpfen hat, der sollte sich nicht nur seinen Beschwerden widmen, sondern den Blick auch in Richtung Körpermitte richten. Schließlich kann ein Ungleichgewicht im Darm das Auftreten von Allergien begünstigen.

Können Allergien durch Darmprobleme entstehen?

Immer mehr Studien deuten drauf hin, dass es einen Zusammenhang zwischen den überschießenden Immunreaktionen bei Allergien und einer Imbalance im Darm gibt. Nicht verwunderlich, denn schließlich hegen Darm und Immunsystem eine enge Beziehung zueinander. Mit nahezu 80 Prozent aller Immunzellen beherbergt der Darm den weitaus größten Teil unseres Immunsystems. Gemeinsam mit einer intakten Darmschleimhaut, die die mechanische Grenze darstellt, bilden die Darmflora und das darmeigene Immunsystem ein 3-phasiges Bollwerk gegenüber unerwünschten Keimen und Stoffen. Ist das Darmgleichgewicht gestört (z.B. durch eine Fehlbesiedelung in der Darmflora und/oder eine geschädigte Darmschleimhaut), kann sich dies auch auf unser Immunsystem auswirken und das Auftreten einer Überempfindlichkeit bzw. Überreaktion gegenüber Allergenen begünstigen.

Welche Rolle spielt die Darmflora für unser Immunsystem?

Die Darmflora steht mit unserem Immunsystem in regem Austausch. Nützliche Darmbakterien wehren nicht nur Erreger und Schadstoffe ab, sie dienen unserem gesamten Immunsystem auch als „Trainingslager“. In diesem sammeln unsere Immunzellen wertvolle „Kampf“-Erfahrungen und lernen zudem – allen voran im ersten Lebensjahr – zwischen Freund (körpereigene oder harmlose Antigene) und Feind zu unterscheiden. Diese „Immuntoleranz“ gilt als eine wichtige Eigenschaft eines intakten Immunsystems. Zusätzlich regen die mikroskopisch kleinen Darmbewohner auch die Bildung körpereigener Abwehrstoffe an, die dem gesamten Organismus zugutekommen.

Unser hauseigener Bakterienzoo trainiert jedoch nicht nur unsere Immunzellen. Er stärkt auch unsere Darmbarriere, indem er für uns nicht-verdaubare Ballaststoffe zu kurzkettigen Fettsäuren zersetzt, die wiederum unsere oberen Darmschleimhautzellen nähren. Ist die Barrierefunktion der Darmschleimhaut hingegen gestört, können unkontrolliert Stoffe, wie z.B. Allergene, vermehrt ins Blut gelangen und so eine Überempfindlichkeit bzw. Überreaktion des Immunsystems begünstigen.

Welche Rolle spielen die Darmbakterien (= Darmflora) im Zusammenhang mit Allergien?

Allergien sind weltweit im Kommen. Seit Mitte des letzten Jahrhunderts haben vor allem in den Großstädten der Industrieländer Allergien stark zugenommen. Neben veränderten Umweltbedingungen (z.B. stärkerer Pollenflug), Ernährungsgewohnheiten und Lebensweisen vermuten Forscher hinter diesem Trend auch die stark angestiegenen Hygienestandards („Hygienehypothese“), die das „unerfahrenere“ Immunsystem empfindlicher gegenüber Allergenen machen kann.

Die meisten Veränderungen in der Umwelt nehmen gleichzeitig auch Einfluss auf die Keimbesiedelung des Menschen (z.B. Haut, Schleimhäute, Darm). Während die Darmflora von Naturvölkern, wie jene im Amazonas-Gebiet, eine große Vielfalt an unterschiedlichsten Darmkeimen aufweist, hat die Darmflora von Menschen aus Industrieländern bereits 40 % an Artenvielfalt eingebüßt. Studien deuten darauf hin, dass eine hohe mikrobielle Vielfalt in der Darmflora (Mausmodell), wie auch in der Umwelt (z.B. Kinder, die am Bauernhof leben), mit einem geringeren Risiko für allergische Erkrankungen, wie z.B. Asthma oder Heuschnupfen, einhergeht.

Nicht nur die gestiegenen Hygienestandards, auch die veränderten Ernährungsgewohnheiten können sich auf die Zusammensetzung unserer Darmflora auswirken. Fertiggerichte und industriell verarbeitete Lebensmittel enthalten häufig Konservierungsmittel, die die Mikroorganismen im Nahrungsmittel abtöten – unser Immunsystem wird weniger mit Keimen gefordert und kann so empfänglicher gegenüber Allergien werden.

Kann eine Darmsanierung unterstützen? 

Ein gesundes Immunsystem beginnt im Darm. Dementsprechend kann bei allergischen Erkrankungen eine Darmsanierung ein sinnvoller Ansatz sein. Spezialisierte Ärzte und Therapeuten können beim „Darmaufbau“ professionell begleiten, wobei diese im Vorfeld zumeist auf eine ausführliche labordiagnostische Darmdiagnostik zurückgreifen und im Anschluss daran gezielt auf die individuelle Darmsituation eingehen.

Wer sein Wohlfühlorgan im Alleingang auf Schiene bringen möchte, kann sich an folgendem einfachen 2-Stufen Programm orientieren:

Stufe 1

Um im Darm klar Schiff zu machen, kann die Darmsanierung mit einer Darmreinigung beginnen. Häufig wird hierfür zu radikalen Abführmitteln wie Rizinusöl, Bitter- oder Glaubersalz gegriffen – dabei empfiehlt sich unbedingt die vorherige Absprache mit medizinischem Fachpersonal. Einen sanfteren Einstand bietet eine Kur mit einer pflanzenbetonten und naturbelassenen Ernährung, die dem Darm beim Regenerieren hilft. Begleitet kann das Fasten von gezielten natürlichen „Darmreinigungsmitteln“, wie Flohsamen und Leinsamen werden.

Stufe 2

Während der Darmreinigung kann auch schon mit dem Darmaufbau begonnen werden. Bei diesem steht die Stärkung der Darmschleimhaut sowie die Besiedelung mit förderlichen Organismen im Vordergrund. Spezielle Vitalstoffe (z.B. L-Glutamin, Vitamin C, Vitamin D, Selen und Zink) kommen hierbei unserer Darmschleimhaut zugute, während Probiotika und Präbiotika (z.B. Dextrin, Inulin, Akazienfasern, Citruspektin) beim Aufbau einer „guten“ Darmflora mithelfen.

Sie wollen mehr zum Thema Darmsanierung erfahren? Dann lesen sie hier weitere Infos:

Von der Darmreinigung bis zum Darmaufbau

Übersichtsarbeit zeigt:

Frühzeitige Probiotika-Einnahme wappnet bereits Kinder gegen Allergien

Der Darm und seine winzig-kleinen Mitbewohner spielen für unsere Gesundheit eine zentrale Rolle. Laut einer großen wissenschaftlichen Übersichtsarbeit (Meta-Analyse) wirkt sich bei Kindern die besonders frühzeitige Probiotika-Einnahme deren Müttern in der Schwangerschaft positiv auf die kindliche Allergieentwicklung aus.

Der Darm eines Erwachsenen beherbergt 10 – 100 Billionen Mikroorganismen, die sich aus bis zu 500 verschiedenen Arten zusammensetzen kann. Mittlerweile weiß man mehr und mehr, wie wichtig eine gesunde Darmflora für ein gut funktionierendes Immunsystem ist. Eine großangelegte Übersichtsarbeit (Meta-Analyse) untersuchte 25 wissenschaftlich hochwertige Studien, die sich zum einen mit der Probiotika-Einnahme von Müttern in Schwangerschaft, zum anderen mit Probiotika-Gaben an Neugeborenen beschäftigte. Die Studienauswertung zeigte, dass die Einnahme von Probiotika die kindlichen IgE-Spiegel (-> erhöhte Spiegel gelten als ein Hinweis auf eine Allergie) nachweislich reduzieren konnte. Zudem senkte sich das Risiko für die Entwicklung einer atopischen Erkrankung (z.B. Heuschnupfen, atopische Dermatitis, allergisches Asthma) im Kleinkindalter. Während bei der Reduktion der IgE-Spiegel das Timing keine Rolle zu spielen schien, war dies in Bezug auf das Atopie-Risiko jedoch sehr wohl der Fall. Hier konnte ein vorbeugender Effekt nur beobachtet werden, wenn mit der Probiotika-Einnahme bereits in der Schwangerschaft begonnen wurde.

Referenz:
Nancy Elazab, MDa, et al. Probiotic Administration in Early Life, Atopy, and Asthma: A Meta-analysis of Clinical Trials. PEDIATRICS Vol. 132 No. 3 September 1, 2013 pp. e666 -e676.

Fazit: Der Darm ist die Wiege unseres Immunsystem. Ganz in diesem Sinn sollten Allergiker die Balance ihrer Körpermitte in den Fokus rücken.

Häufig gestellte Fragen zum Thema Darm & Allergien

Bei einer Allergie ist stets unser Immunsystem involviert. Hierbei löst ein zumeist harmloser Stoff eine überschießende Immunreaktion (= allergische Reaktion) aus.

Studien belegen, dass eine gesunde Darmflora, die eine große Bakterienvielfalt aufweist, mit einem geringeren Risiko für allergische Erkrankungen einhergeht.

Studien deuten darauf hin, dass Lactobazillen, insbesondere der Stamm Lactobacillus paracasei, für Allergiker günstig sein können.

Der Darm ist der Hauptsitz unserer Immunabwehr. Ist der Darm gestört, kann dies unsere Immunantwort verändern und das Auftreten von Allergien begünstigen.

Weiterführende Literatur

Steiner, N.C., Lorentz, A. et al. 2021. Probiotic Potential of Lactobacillus Species in Allergic Rhinitis. Int Arch Allergy Immunol. 2021;182(9):807-818. doi:Epub 2021 Apr 21.

Noda, M., Kanno K., et al. 2021. Plant-Derived Lactobacillus paracasei IJH-SONE68 Improves Chronic Allergy Status: A Randomized, Double-Blind, Placebo-Controlled Clinical Trial. Nutrients. 2021 Nov 11;13(11):4022. doi: 10.3390/nu13114022.

Peroni, D. Hufnagl, K. et al. 2023. Lack of iron, zinc and vitamins as a contributor to the etiology of atopic diseases. Front Nutr. 2023 Jan 9;9:1032481. doi: 10.3389/fnut.2022.1032481. eCollection 2022.

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Ali, A., Tan, H., Kaiko G.E. 2020. Role of the Intestinal Epithelium and Its Interaction With the Microbiota in Food Allergy. Front Immunol. 2020 Dec 7;11:604054. doi: 10.3389/fimmu.2020.604054. eCollection 2020.

https://www.aerzteblatt.de/archiv/179902/Mikrobiom-Forschung-Kann-die-Darmflora-Allergien-verhindern, Zugriff:

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